Keiner von uns weiß mit Gewissheit, dass er nicht der letzte Psychoanalytiker sein wird.
Die Psychoanalyse ist ein Komplex von Theorien, die den traditionellen Blick auf den Menschen revolutionieren, und verfügt über eine haarfeine Methode, menschliche Schicksale zu untersuchen. Diese Aspekte und natürlich die klinischen Wandlungsmöglichkeiten, die sich aus dieser Untersuchungsmethode ergeben, sind deutlich wichtiger als die Betrachtung der Psychoanalyse als freiberufliche Tätigkeit. Doch die Gestalt des Psychoanalytikers, der in einer Stadt seine Privatpraxis eröffnet, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, fernab von jedem institutionellen Komfort, spielte in der Psychoanalyse seit ihren Anfängen eine zentrale Rolle. Heute sind wir viele und wir bewegen uns im Rudel, doch Freuds „splendid isolation“ findet im Leben jedes Analytikers ihren Ort.
Als Beruf gibt es keine Überlebensgarantie. Es gibt bedeutende regionale Unterschiede – zum Beispiel zwischen der erfrischenden Neugier, der wir in Asien, Osteuropa und Lateinamerika begegnen, und der Lähmung in einigen entwickelten Ländern –, sicher ist aber, dass unsere Zukunft in einer breiten zeitlichen und geografischen Perspektive nicht garantiert ist.
Es gibt Berufe, die vom Antlitz der Erde verschwunden sind: Schneider oder Uhrmacher sind heute anachronistische Gestalten, genau wie der Bordschütze, der in den alten B-52-Bombern Dienst tat, zu einer anachronistischen Gestalt wurde, sobald der Pilot selbst die Bomben abzuwerfen begann. Und jetzt, wo Bomben von unbemannten Drohnen abgeworfen werden, ist vielleicht der Beruf des Piloten dabei, zu verschwinden. Eine Zukunft ohne Psychoanalytiker ist also durchaus vorstellbar.
Auch Freuds Konzept des Unbewussten könnte verschwinden, so wie Phlogiston oder Äther als physikalische Erklärungshypothesen verschwanden. Die eigentümliche Öffnungs– und Schließbewegung, die dem Begriff des Unbewussten charakterisiert, und seine historischen Bezugswerte, bestätigen diese Idee. Heute spricht man eher vom Gehirn oder vom Ich als vom Unbewussten, und verblüfft verfolgen wir, wie auf dem Markt der Ideen Positionen auftauchen, die sich als Erneuerungen geben, in Wirklichkeit aber in die Zeit vor Freud zurückführen.
Ich habe nicht vor, die Polemik zwischen Apokalyptikern und Integrierten in Bezug auf Psychoanalyse und Zeitenwandel neu aufzulegen – also den Streit zwischen jenen, die meinen, dass die neuen Zeiten sie hinwegfegen werden, und jenen, die behaupten, dass eine Integration und eine wechselseitige Bereicherung möglich sind –, doch ist es offensichtlich, dass das kritische und neurotische Subjekt , Ursache und zugleich Auswirkung der Psychoanalyse, in der Krise ist.
Andererseits ist die Psychoanalyse eigentlich immer in der Krise gewesen. Und gedeiht an den Rändern, in der Ungewissheit einer etwas anachronistischen Praxis besser, als wenn sie sich anderen Anweisungen unterwerfen muss als jenen ihrer eigenen unerbittlichen Ethik. Dieser provisorische Charakter der Psychoanalyse – der eine Quelle der Unsicherheit ist, aber auch eine Quelle ihrer Wirksamkeit – verpflichtet jeden praktizierenden Analytiker, jedes einzelne Mal ganz neu das Schicksal seiner Disziplin zu riskieren.
In der Wendung „das erste Mal' schwingt zweifellos etwas Sexuelles mit. Es reicht schon, diese Worte zu äußern, um die erste Erinnerung im Liebesstreben oder in der schwerfälligen Lehrzeit des Geschlechts wachzurufen. Diese Konnotation des „ersten Mals“ in der Alltagssprache paart sich mit dem ersten Mal in der Analyse, auch in sexuellen Begrifflichkeiten: nur dass in der Analyse das erste Mal eher in der Begegnung mit dem besteht, was in der Sexualität nicht funktioniert, mit der Unmöglichkeit einer perfekten Koppelung, sei es zwischen den Worten, sei es zwischen den Geschlechtern. Dieser strukturelle Koppelungsfehler und die symptomatische Weise, ihn aufzulösen, ohne ihn aufzulösen, ist das, was die Leute in unsere Praxen bringt.
Jedes Mal, wenn wir Sprechstunde halten, sind wir nur potentiell Analytiker. Tatsächlich verwandeln wir uns dann in Analytiker, wenn das Setting einsetzt. Und nur für diesen Patienten. Diese Dynamik muss sich in jeder Behandlung wiederholen, ohne jede Garantie, dass es funktionieren wird.
Wir können einige Elemente untersuchen, die notwendig sind, um eine analytische Erfahrung in Gang zu setzen, und die vor allem damit verbunden sind, dass eine fruchtbare Übertragung begründet werden kann. Doch bei jedem Individuum, das uns um Hilfe bittet, muss die gesamte Geschichte der Psychoanalyse in nur wenigen Treffen von neuem geschrieben werden, damit sich etwas in Bewegung setzen kann.
Wir stehen in einer Abstammungslinie, die bis zu Sigmund Freud, dem ersten Analytiker, zurückreicht, und notwendigerweise identifizieren wir uns in manchen Augenblicken mit ihm. O. Mannoni hat zurecht betont, wie jeder Einzelne diese „Uranalyse“ wiederholen muss, die Freud, so gut er konnte, mit Fließ leistete. Es gibt keine Tradition, die es vermeiden würde, dass dieser Weg noch einmal beschritten werden muss, persönlich, immer wieder in einer Analyse, die eine Lehranalyse gewesen sein wird, wenn sie es ermöglicht, dass ein Psychoanalytiker daraus hervorgeht. Andernfalls wird es eine weitere psychoanalytische Übung gewesen sein, unabhängig vom Amt dessen, der sie leitet, und unabhängig von der institutionellen Legitimierung, die denjenigen erwartet, der sie abschließt.
Über den alten Ratschlag hinaus, wonach das Hauptziel des ersten Gesprächs mit dem Analytiker darin besteht, dass es ein zweites Gespräch gibt, war es Maud Mannoni, die klarstellte, worum es im Erstgespräch vor allem geht: „Wenn etwas in der Konfrontation mit dem Analytiker verloren geht, so ist es eine gewisse Lüge; durch diesen Verzicht erhält das Subjekt als echte Gabe den Zugang zu seiner Wahrheit.“
Wir führen diese Demaskierungsaufgabe mittels eines Instruments durch, das, mehr als in einem positiven Tun, in einer gewissen Negativität verankert ist. Wir arbeiten mit dem Zuhören, und dieses Zuhören, das dem Unbehagen des Anderen Raum gibt und die Entfaltung von Symptomen und Phantasien ermöglicht, denen wir uns als Objekt anbieten, ist unser wichtigstes Instrument. Wir leiten aus der Diagnose keine Indikationen ab, wir empfehlen weder Tabletten noch Heilverfahren, wir bieten uns unseren Patienten nicht für affektive Verschmelzungen an: wir bieten einzig und allein eine bergende Leere. Daraus tauchen die Sätze auf, die wir möglicherweise sagen. Manchmal verfügen wir nur über eine einzige Begegnung, um unser außergewöhnliches Zuhören zu zeigen.
Dies führt auch zu einer Spannung, die sich in Misserfolg verwandeln kann. Eine frühzeitige Rückkoppelung feindseliger Übertragung kann die Möglichkeit einer Analyse zunichtemachen, doch auch die Angst des Analytikers kann dazu beitragen. Das erste Treffen verlangt vom Analytiker mehr als irgendein anderes: in gewisser Weise fordert man von ihm, dass er, passend zu dem in diesem speziellen Fall, den er kaum kennt, Gesagten, ein Manifest seiner Praxis und seines einzigartigen Zuhörens verfasst und verkündet, ohne es explizit aussprechen zu dürfen. Jedes Mal, wenn wir Analytiker einen neuen Patienten empfangen, verkünden wir wortlos unser Manifest. In Stille, es ist eher so, dass wir zeigen, was wichtig ist: ein aufmerksames und zugleich von jeglichem unechten Interesse losgelöstes Zuhören. Wenn wir erreichen, dass das, was wir anzuregen beabsichtigen, wahrgenommen wird, wird es ein weiteres Treffen geben – und vielleicht noch eins.
Und wenn es das nicht gibt, so bleibt nichts übrig, als uns mit unserem Scheitern abzufinden, damit wir das nächste Mal, wie Beckett sagte, besser scheitern.
Psychoanalyse ist etwas, was immer eher als Wette denn als technische Anwendung gespielt wird. Selbst wenn wir wissen, dass es eine Technik gibt, müssen wir, eben wegen der Vorschriften dieser Technik, die Technik vergessen. Wir müssen auf defensive Zuordnungen und Apparate verzichten, den Rezeptblock verbrennen und die Testreihen in die Schublade stecken, die Indikationen des überweisenden Arztes und des bürgerlichen Gemeinwissens vergessen. Im leeren Raum zuhören, kaum gehalten vom Fädchen des Analytikerwunsches.
Begegnung ist, eher als Interview, eine gute Form, um diese Art eines Anfangsraums zu benennen – eine Begegnung kann gelingen oder nicht, das lässt sich nicht voraussagen. Einerseits ist der Begriff eine Anspielung auf ein Treffen mit einem Analytiker, der um Heilung oder Abmilderung gebeten wird. Andererseits ist es eine Begegnung mit sich selbst, denn wer in Behandlung kommt, geht, ohne es zu wissen, im Anderen auf die Suche nach jenem Allerpersönlichsten, nach dem, was ihn als Individuum prägte. Die Möglichkeit der Begegnung wird auch gleichermaßen von Bestimmung und Zufall beeinflusst – es gibt Treffen, die zum Verzicht bestimmt sind. Wir beabsichtigen, das abzubauen, was das Schicksal an Neurotischem in sich trägt, die unbezwingbare Wiederholung der Verwerfung. Im Bewusstsein dessen, wie zufällig diese Begegnungsmöglichkeit ist, befassen wir uns gleichzeitig – wie Kieslowski wollte – damit, sie durch harte Arbeit zu verdienen.
Vor jeder analytischen Behandlung hat sich Leiden oder Unbehagen eingenistet. Das, worum es geht, ist kein intellektuelles Interesse, auch wenn ein solches später erscheinen kann und vielleicht muss. Doch muss sich der Schmerz in eine Frage verwandeln, damit wir etwas mit ihm tun können, und häufig ist dies nicht im Vorhinein gegeben. Das Ziel unserer Arbeit ist es, den Schmerz in eine Frage zu verwandeln. Diese Frage muss sich zudem an jemand anderen richten, in erster Linie an die Psychoanalyse als Wissensschatz in Bezug auf das eigene Unbehagen, und später an einen einzelnen Psychoanalytiker, in dem die psychoanalytische Theorie als Übertragung Gestalt annimmt. Bei diesem Analytiker wird man ein Wissen um das Eigene voraussetzen, von wo aus sich der Patient auf die Suche macht nach dem, was er selbst in den Begriff der Agalma gefasst hat, dieses Schmuckstück, das das Objekt seines Wunsches enthüllt.
Der Psychoanalytiker ist zugleich Gast und Gastgeber: er beherbergt und er quartiert sich ein. Er beherbergt die realen, imaginären und symbolischen Aspekte der Übertragung. Und zugleich quartiert er sich an jenem Ort ein, der vom Phantasma des Analysanden angezeigt wird, einzig und allein, um von dort aus eine Asymmetrie wiederherzustellen, die immer Gefahr läuft, verloren zu gehen.
Es sind also zwei Szenen gegenwärtig, wenn ein Analytiker einen neuen Patienten empfängt. Einerseits die Szene der ursprünglichen Analyse, so wie sie im Ausbildungsprozess jedes Analytikers enthalten ist. Diese Szene, die den Analytiker als ehemaligen Analysanden ins Spiel bringt, der – eher wegen seines Leidens und seiner neurotischen Fragen als aus irgendeinem fachlichen Eifer – einst seinerseits auf der Couch lag. Dies prägt unsere Praxis: wir Analytiker sind lauter Ex-Patienten und wenn wir bereit sind, jene zu leiten, die eine ungewisse und vielleicht gefährliche Reise machen wollen, so ist es deshalb, weil wir zuvor bereits diesen Weg gegangen sind. Nicht viele Berufe können eine derartige Garantie anbieten.
Die andere Szene ist das Ende, ist doch das letzte Treffen schon seit dem ersten Treffen präsent. Das Konzept, das ein Analytiker vom Abschluss der Analyse hat – und vor allem die Art und Weise, in der sich seine eigene Analyseerfahrung in ihm niedergeschlagen hat –, wirkt von Anfang an und prägt die Modalität seines Zuhörens.
Wir sind bewanderter darin, ein Spiel zu beginnen, als es zu beenden; unsere Erfahrung nimmt mit dem Herannahen des Endes ab. Genau dort brechen die theoretischen Kontroversen los: man hört anders zu, wenn man annimmt, dass der Analytiker den Platz des „Rests“ einnehmen wird, den Platz des Objekts, das am Ende des Weges stürzen wird, als wenn man sich den Analytiker als Ort eines idealen Bollwerks vorstellt, dem sich der Patient nach und nach annähert, bis er sich völlig mit ihm identifiziert; wenn man die Behandlung als Symmetrien und Asymmetrien konzipiert; wenn eine Analyse ohne Ende gewagt wird oder wir uns bewusst sind, dass wir niemals wissen werden, wann ein Treffen das letzte Treffen ist.
Wenn uns jemand darum bittet, ihm zuzuhören, besteht ein Risiko des Verlusts. Vielleicht weiß es der Analysand nicht, aber der Psychoanalytiker muss es wissen. Diese Konzeption, in der der Zuhörende den, dem er zuhört, nicht zu einem Objekt macht, das ihm irgendeinen Mangel ausfüllt, und in der der Zuhörende am Ende eines Weges wissen wird, wie er ihm bei der Loslösung helfen kann, wird vermittelt.
Das erste Treffen steht, wenn man so will, unter dem Schutz der Göttin der günstigen Gelegenheit. Diese halb kahle römische Gottheit, die rasch vorübergeht und die einem nur wenige Augenblicke lässt, um sie zu ergreifen, denn wenn wir zögern, sie am Schopfe zu packen, gibt es keine Stirnlocke mehr, woran man sie packen könnte. Es ist eine Gelegenheit, die nicht im Vorhinein abgesichert ist und dies auch nie sein können wird. Hier steht die Möglichkeit auf dem Spiel, dass es ein anderes Mal geben wird, weitere Treffen, die dieses Treffen rückwirkend zum ersten Treffen machen werden. Wenn es diese nicht gibt, dann wird auch das Treffen, das es gegeben hat, nicht das erste gewesen sein, sondern das Waisenkind einer nicht realisierten Serie. Einer Serie, in der ein Treffen immer wieder auf das andere folgt, bis man vielleicht zum Bewusstsein der grundlegenden Verwerfung gelangt, die uns formt und angesichts der selbst der nachhaltigste therapeutische Erfolg kaum verbergen kann, was an Scheitern in ihm steckt.
Jeder Einzelne von uns ist jedes Mal verantwortlich dafür, dass diese Serie möglich wird. Dass jede Sitzung – über jeden Vertrag hinaus – eine weitere Sitzung nach sich zieht, genauso, wie jeder Analytiker durch Ansteckung einen weiteren Analytiker erzeugt.
Seit einem Jahrhundert kann jeder Analytiker der letzte Analytiker sein. Der, der jedes Mal alles riskiert und alles einsetzt, damit dieses Mal nicht das letzte Mal ist. Der, der das Unbewusste von Neuem entdeckt und ein ebenso fremdartiges wie wirksames Setting neu erfindet. Der, der fühlt, dass es – wie in der Sexualität – jedes Mal irgendwie ein erstes Mal ist.
Beckett, S., Worstward Ho, John Calder, London, 1983.
Eco, Umberto, Apocalípticos e integrados, Tusquets, Barcelona, 1995.
Dufour, Dany-Robert, El arte de reducir cabezas. Sobre la servidumbre del hombre liberado en la era del capitalismo total, Paidós, Bs. As., 2007.
Mannoni, Maud, La primer entrevista con el psicoanalista, Gedisa, Bs. As., 1981.
Mannoni, Octave, Un comienzo que no termina; transferencia, interpretación, teoría, Paidós, Bs. As., 1982.