Bild, Körperlichkeit und analytisches Zuhören in Remote-Behandlungen
Carlos Ferreira Lopes Pires Leal
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Remote-Behandlungen: vorübergehend? Die Frage wurde seitens der Clínica Social da Sociedade Brasileira de Psicanálise do Rio de Janeiro für eine Diskussion unter Fachkollegen an uns herangetragen. Die spannungsreiche Begegnung zwischen virtueller Welt, Atopie (Raumlosigkeit), Achronie (Zeitlosigkeit) und dem Subjekt der Erinnerung, das einen Körper im realen Raum besitzt, birgt für das Feld der psychoanalytischen Klinik eine Frage und eine Herausforderung, da das Sinnliche und das Symbolische dort zu Zeichen des Virtuellen – ohne Symbolisierung, ohne Raum und ohne Zeit – übergehen. Die Cyberkultur bietet den Prozessen der Subjektivitätserzeugung Fluidität und empfindungsfähige Intensitäten, indem sie eine unablässige Arbeit simultaner Aktualisierung auferlegt.
Das besondere technische Verfahren der Remote-Behandlung wird durch das Wissen und die Erfahrung im Zusammenhang mit den psychoanalytischen Übertragungsprozessen aufrechterhalten. Wird sie von der Pandemie an zu einem unverzichtbaren Inhalt in den Lehrinstituten der psychoanalytischen Gesellschaften werden? Wird die Beziehung zwischen virtueller Realität und psychischer Realität zu einem neuen Untersuchungsgegenstand? Ich werde einige klinische Situationen beschreiben, die auf der Unterscheidung zwischen der Möglichkeit der Wahl und dem Zwang zur Remote-Behandlung aufgrund gesetzlicher Einschränkungen oder medizinischer Vorschriften beruhen.
Die Befolgung der Isolationsregeln durch Psychoanalytiker wurde zu einer Projektionsfläche für Personen, die beruflich in der Pflege von Covid-Erkrankten tätig waren. Verbale Einschüchterungen, Wut über die Asymmetrie und die immer wiederkehrende Aussage, dass es für Patienten und Therapeuten besser sei, sich gegenseitig zu infizieren und "bald Schluss zu machen" mit der virtuellen Behandlungsform, standen auf der Tagesordnung. Zusätzlich zu den von der Gesundheitspolitik angebotenen sozialen Vorstellungen, versehen mit Bildern wie jenem des „kommunistischen“ Virus, befeuerten auch Behandlungen ohne wissenschaftliche Grundlage (Chloroquin und Ivermectin) und Impfgegnerschaft Abwehrmechanismen, die von Ängsten vor Ansteckung, nachfolgender Krankheit und Sterben ausgelöst worden waren und zugleich eine Reaktion auf den Suizid-Aufruf waren, wie er in der Botschaft des brasilianischen Präsidenten enthalten ist: „Es ist nur eine kleine Grippe“. Die Ansteckungsgefahr im Arbeitsumfeld und die zunehmenden Todesfälle unter Berufskollegen wurden in der äußeren Realität nur durch die vermittelte Vorstellung davon wahrgenommen, was mein Tod für diese Patienten bedeuten würde. Erst wenn die von den Ansteckungsrisiken aufgezwungene Symmetrie des analytischen Paars angesichts von Tod und Sterben emotional anerkannt wird, können die in der Verleugnung enthaltene Destruktivität und die Allmachtsphantasien gefasst, gehalten und ausgearbeitet werden.
Die Aufrechterhaltung von Isolation und Privatheit in der virtuellen Behandlung brachte charakteristische Schwierigkeiten in der Situation der Kamerakontrolle und bei der Erzeugung von Bildern durch den Patienten mit sich. Bilder einer öffentlichen Straße, einer Wohnumgebung oder des Arbeitsplatzes führten in die analytische Szene eine Art bildbasierte Dramatisierung ein, die die nicht-sensorische Beobachtung der seelischen Realität erschwerte. Das Eindringen der äußeren Realität in das Setting schwächte die Kapazität des analytischen Zuhörens und Denkens durch die Wirkung der Abfolge von Bildern, die vom Analysanden erzeugt wurden, wodurch der Analytiker in die Passivität gedrängt wurde, da er die Sitzung betrachtete, statt sie zu träumen. Die Empfehlung, einen festen Ort für die Sitzungen festzulegen, unterstützte und beschützte den analytischen Prozess, indem das Übermaß von Realität eingegrenzt und die Bedingungen für Rêverie wiederhergestellt wurden; folglich konnten – zu Ungunsten der zeichenhaften Präsentation – auch symbolische Verbindungen wieder hergestellt werden.
Bestimmte Inhalte, die im klinischen Material visuell oder figurativ präsent waren, wurden im Übergang der physischen Umgebung zum Virtuellen aufgehoben. Die Bild-Kommunikation seitens des Patienten, verstanden als ein im Wach-Traum vorhandenes, affektives Piktogramm, besitzt als Vorschlag für einen Traum zu zweit ein schöpferisches Potential. Wenn diese Art von Inhalt aufgrund der Fernbehandlung nachlässt, stellen wir einen Verlust an Tiefe in der Kommunikation fest. Welche mentalen Zustände wären mit der Verwendung neuer Technologien zugänglich? Welche Inhalte blieben isoliert, welche gingen mit der Fernbehandlung verloren?
Die Klage, des virtuellen Raums und der Fernbehandlung müde zu sein, stand in Verbindung zu der Isolation als einer Komponente der äußeren Realität und wurde verstanden als Folge eines Zusammenbruchs sozialer Rituale und deren Inszenierungs- und Verkörperungsprozesse (zum Analytiker gehen, zum Fußball gehen, ins Kino gehen, Freunde und Verwandte besuchen). Sie hat jedoch auch Bezug zu den Interferenzen technischer Geräte (Ton, Bild, Signal), die den Patienten dazu aufrufen, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken: hörst du mich, siehst du mich…? Die (bisweilen nicht funktionierende) Technik – ein Nicht-Mensch – interagiert mit Menschen und lässt den Patienten den Psychoanalytiker als Pseudopräsenz oder als Beweis von Abwesenheit (Objektverlust) wahrnehmen, wodurch ein Trauerprozess ausgelöst wird, welcher die Figuren der Leere und des Negativen binden kann. Das Negative verbindet sich mit dem Spektrum, das sich von der halluzinatorischen Wunscherfüllung bis hin zur Produktion von Fantasien und Selbsterkenntnis erstreckt, und die Leere trägt ein Risiko katastrophaler Kreativitätserfahrungen in sich. Das Gefühl, der virtuellen Umgebung müde zu sein, ist mit der Trauer über die Pseudopräsenz oder die Abwesenheit von Ritualen der Interaktion zwischen Körpern verbunden.
Abschließend erinnere ich daran, dass das neoliberale Feld der Arbeitszwänge sich heute Tele-Arbeit nennt. Wird es, indem es sich zu einem homogenen Modell verwandelt, die Krise der psychoanalytischen Praxis verkörpern? Wird es ein Zeichen sein für die Logik der Macht, die die veränderte Arbeitsorganisation mittels Prekarisierung noch weiter vorantreibt? Das technische Dispositiv der virtuellen Behandlung wird mittel- und längerfristig durch Wissen und Können in Verbindung mit den therapeutischen Prozessen der Übertragung in der Psychoanalyse gestützt werden. Wird es infolge der Pandemie zu einem unerlässlichen Inhalt in den Ausbildungsinstituten der psychoanalytischen Gesellschaften werden? Wird die Beziehung zwischen virtueller Realität und psychischer Realität zu einem neuen Untersuchungsgegenstand?
Literatur
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Scharff, J.S. (2012). The act of interpretation. International Journal of Psychoanalysis (93)1, 81–95.
Aus dem Portugiesischen übersetzt von Susanne Buchner-Sabathy und überarbeitet von Andrea Rutsch